T H E M A

Aktuell: Afghanistan

Afghanistan

Als am 11. September 2001 die zwei Türme des World Trade Centers (WTC) durch den Absturz zweier Verkehrsflugzeuge zum Einsturz gebracht wurden, war auch ich geschockt. Meine tiefe Trauer und mein Mitgefühl für das amerikanische Volk unmittelbar nach den Anschlägen, sind mir bis heute präsent als wäre dies alles erst gestern geschehen. Ich habe nicht vergessen, wie wohl so ziemlich alle Deutschen damals mit den Amerikanern litten, unseren Freunden und kulturellen Vorbildern in vielerlei Hinsicht.

Die genauen Umstände der Anschläge sind bis heute unklar. Sicher ist, dass mit Teppichmessern bewaffnete Studenten aus Saudi Arabien die Entführungen durchgeführt haben. Sicher scheint ferner, dass die von dem ebenfalls aus Saudi Arabien stammenden Osama bin Laden geführte Terrorgruppe al-Qaida für die Organisation der Anschläge verantwortlich ist und diese Gruppe wiederum mit Geldern finanziert wurde, die aus Saudi Arabien stammten.

Wer ist dieser Osama bin Laden? Wir wissen über ihn nicht viel ausser, dass er ein Verbündeter der USA war während der Besatzung Afghanistans durch die Sowjetunion. In dieser Zeit war ich gerade 15 Jahre alt und erinnere mich ebenfalls wie heute an die groß angelegte Spendenaktionen mit dem Titel "Waffen für Afghanistan". Klar hatte auch ich damals von meinem Taschengeld eine Wochenzahlung abgegeben zur Unterstützung des Freiheitskampfes des afghanischen Volkes gegen die sowjetischen Besatzer. Alle Deutschen fanden es damals gut, dass die Afghanen sich wehrten. Für die Sowjets war das weniger lustig.

Osama bin Ladens hatte seine Kommandozentrale in Tora Bora. Darüber schreibt Wikipedia:

"Tora-Bora ist ein 1986 angelegter künstlicher Höhlenkomplex in den Bergen Afghanistans, etwa 40 km von Jalalabad entfernt in der Provinz Nangarhar gelegen. Es wurde allgemein angenommen, dass der Komplex befestigte Anlagen und ein weitreichendes Tunnelsystem beherbergt. Tora Bora ist in der westlichen Welt vor allem deshalb bekannt geworden, weil Osama bin Laden hier in der Zeit nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 vermutet wurde. Die tief in die Berge hineingetriebene Anlage wurde angeblich nach vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Bin Laden-Firmengruppe "Saudi Binladin Group (SBG)" und dem amerikanischen Geheimdienst mit Baukosten von mehr als einer Milliarde US-Dollar nahe der pakistanischen Grenze angelegt, um den gegen die Sowjetunion kämpfenden Mudschaheddin ein geräumiges Waffen- und Ausbildungslager sowie ein medizinisches Zentrum zur Verfügung zu stellen."

Warum führt ein ehemaliger Verbündeter der USA, der von diesem mit Bunkeranlagen, Geld und Waffen ausgestattet wurde, einen derartigen Kampf gegen seine früheren Auftraggeber? Warum riskiert dieser Typ seine gescheffelten Milliarden, sein Leben und seine Macht in dieser Region und sticht einen so mächtigen Gegner an wie es die USA sind? Verbitterung? Worüber? Waren die USA kein guter Arbeitgeber? Es widerspricht jeder menschlichen Logik was wir darüber zu wissen glauben, denn eines ist ganz sicher: niemals ist religiöser Fundamentalismus das Motiv der Anführer. Diese verfolgen immer hoch rationale Ziele und bedienen sich der religiös verblendeten Massen lediglich als willige Kämpfer. Ziel jeden Krieges ist die Eroberung von Land bzw. die Errichtung einer Herrschaft über Völker. Wollte Bin Laden Amerika erobern? Ergibt keinen Sinn. Wollte er Amerika demütigen? Zum Preis seiner eigenen Vernichtung? Ergibt keinen Sinn. Die ganze Nummer ist irgendwie schräg und widerspricht allem, was man so aus der Geschichte, Soziologie und Psychologie kennt und nachvollziehen könnte. Unter keinen Umständen hätte Bin Laden aus seinem Handeln irgendwelche Vorteile ziehen können. Um so zielstrebiger nutzten Briten und Amerikaner die Gelegenheit und sind in diesem Spiel die einzige erkennbar rational agierende Macht.

Wie auch immer: Osama bin Laden ist kein Repräsentant irgendeines Landes sondern allenfalls ein abtrünniges Überbleibsel aus zurückliegenden Aktionen des amerikanischen Geheimdienstes. Den Herrschaften ist da entweder was aus dem Ruder gelaufen oder die Dinge liegen in Wirklichkeit vollkommen anders.

Saddam Hussein hatte die britischen und amerikanischen Ölkonzerne des Landes verwiesen und es gab sehr klare Drohungen seitens der Regierungen dieser Länder, dass man Hussein dafür eines Tages bestrafen würde. Gewiss hatte Saddam Hussein eine große Klappe und war - nachdem auch ihn die USA für den Kampf gegen den Iran militärisch ausgestattet hatten - schlussendlich kein gefügiger Freund der USA mehr wie es etwa die regierenden Saudies bis heute sind, aber er hatte erwiesenermaßen mit Osama bin Laden und den Terroranschlägen absolut nichts zu tun. Die neuesten Untersuchungen der Briten ergaben, dass Blair und Bush bereits 6 Monate nach den Anschlägen eine Invasion im Irak beschlossen hatten, lange vor jeder demokratischen Legitimation. Und beide haben ihre Völker mit Lügen und Täuschungen in den Krieg geschickt, sowie die Freundschaft der Völker mit dem leidenden amerikanischen Volk ohne Skrupel für ihre Pläne missbraucht. Es ist aus meiner Sicht ein großer politischer Verdienst unseres damaligen Kanzlers Gerhard Schröder, dass er uns - basierend auf eigenen Informationen des BND und wohl auch der Russen - wenigstens aus diesem Krieg rausgehalten hat. Frau Merkel hat Schröder damals dafür scharf kritisiert.

Mit Afghanistan ist es leider anders gelaufen. Ich muss - zu meiner Schande - bekennen, dass ich selber glühend für diesen Krieg argumentiert habe. Auch diese Diskussionen und meine damalige Haltung haben sich mir unvergesslich eingebrannt. Ich schäme mich heute dafür, denn ich habe mich mitreißen lassen von einer allgemeinen Stimmung, dieser Mischung aus Trauer und Anteilnahme, und habe nicht meinen eigenen Verstand gebraucht. Die wenigen Menschen, die in diesen Tagen noch klar denken konnten und nicht in dieser kollektiven Gefühlslage gefangen waren, hatten es wirklich schwer.

Ich bedaure heute zutiefst all den Quatsch, den ich mir damals zurecht gelegt habe, insbesondere die völlig abwegige Annahme, man könne durch eine militärische Intervention westliche Werte von Freiheit und Demokratie vermitteln und damit den Afghanen einen Entwicklungsschub bescheren. Im Gegensatz zu anderen Landsleuten, die bis heute den Afghanistan-Einsatz bejubeln, hat es bei mir kein Jahr gedauert um zu erkennen, wie naiv ich einerseits war und wie uns andererseits unsere amerikanischen Freunde bereits bei diesem Krieg die Sicht vernebelt haben.

Der Afghanistan-Krieg erfüllte für die Amerikaner vor allem eine Funktion, nämlich die kriegsmüden Völker zu mobilisieren. Eigentlich haben sich die Amerikaner nicht wirklich für Afghanistan interessiert und war da auch weiter nichts zu holen. Aber es ergab sich ein psychologisch günstiger Moment um die Welt an die Waffen zu rufen, nämlich als man den Taliban ein Ultimatum zur Auslieferung Osama bin Ladens gestellt hatte. Aus dieser Situation heraus erteilte die Weltgemeinschaft die Legitimation zum Krieg! Für die Amerikaner war das weiter nichts als ein Testlauf, wer mitmachen würde, wie die UNO und NATO reagiert, welche Meinungsmacher sich instrumentalisieren lassen und welche nicht etc.

Was war geschehen? Ich zitiere zunächst erneut Wikipedia:

"Während des Jahres 1994, fünf Jahre nach dem Ende der sowjetischen Besatzung Afghanistans, als verschiedene Gruppierungen der Mujahedin untereinander in bewaffnete Auseinandersetzungen geraten waren, formierten sich die Taliban unter Mullah Omar politisch und militärisch als anfangs kleine Miliz in der Nähe Kandahars. Ihre Gründung wurde von Pakistan finanziell und materiell unterstützt. Maßgeblich an dieser finanziellen und materiellen Förderung beteiligt waren der damalige General und spätere Präsident Musharraf und Innenminister Nasrullah Babar. Auch die USA waren anfangs an den Taliban interessiert, da sie sich von ihrer Herrschaft notwendige Stabilität erhofften, um von der amerikanischen Firma Unocal eine Erdgas-Pipeline zwischen Turkmenistan und Pakistan bauen zu lassen.Dabei spielte auch eine Rolle, dass Washington in den Taliban zumindest bis 1996 eine anti-schiitische, anti-iranische und prowestliche Bewegung gesehen hat.

Im Verlauf der Kämpfe entwickelten sich die Taliban ab 1995 zur dominanten Fraktion innerhalb Afghanistans. Einen Großteil ihrer Mitglieder rekrutierten sie aus den Koranschulen (Madrasa) entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze.

Mit der Einnahme der Hauptstadt Kabul Ende September 1996 und der folgenden Konsolidierung ihrer Macht kontrollierten die Taliban seit 1997 drei Viertel des Landes und konnten diese Position bis zum Jahre 2001 weiter ausbauen. Zu dieser Zeit war nur der Nordosten des Landes nicht unter ihrer Herrschaft, den Rest benannten sie in Islamisches Emirat Afghanistan um. Die Regierung der Taliban wurde allerdings nur von drei Staaten (Saudi-Arabien, Pakistan, Vereinigte Arabische Emirate) diplomatisch anerkannt. Durch die Eroberung Kabuls geriet der seit Mai 1996 aus Sudan dorthin exilierte Osama bin Laden in den Kontrollbereich der Taliban und wurde ihr Gast.

Nachdem im August 1998 elf iranische Diplomaten verschwunden, neun davon getötet waren, standen Iran und das Talibanregime kurz vor einem Krieg, der trotz der Mobilisierung 200 000 iranischer Soldaten abgewendet werden konnte.

Den Taliban wurde unter ihrem Führer Mullah Omar seit 1999 vorgeworfen, Terroristen (insbesondere der al-Qaida) Unterschlupf zu gewähren. Diese Vorwürfe verstärkten sich nach den Anschlägen in den USA am 11. September 2001. Infolgedessen wurde die von den USA erhobene Forderung nach Auslieferung der Verdächtigen international unterstützt."

Mit anderen Worten: Pakistan, eine Atommacht und enger Verbündeter der USA, hat die politisch ungeordnete Situation in Afghanistan genutzt um die eigene Machtspäre auszuweiten. Die Clans wurden unter ein einheitliches Regiment gezwungen, einer Regierung unterworfen, die es vorher nicht gab. Man hätte anders keine Erdgasleitung durch das Land legen können, also hat auch das den USA erst einmal gepasst. Eine Gruppierung mit der Bezeichnung Taliban stellte in über drei Viertel des Landes die Regierung.

Die Taliban rekrutieren ihre Kräfte aus den Reihen des einfachen Landvolkes. Das sind keine studierten Leute wie bei al-Qaida. Genau genommen wären die Taliban Osama bin Laden gerne los geworden, hatten diesen auch mal vor dem 11.09.2001 festgesetzt und den USA zur Auslieferung angeboten, aber die Amerikaner wollten Bin Laden nicht. Als sie ihn dann wollten haben die Taliban entgegnet, dass es ihnen unmöglich sei Osama bin Laden erneut festzusetzen. Darauf hin kam das Ultimatum und der Krieg. Eine bestechend einfache Logik: die Taliban beherrschen das Land, also müssen sie Bin Laden auch festsetzen und ausliefern können. Können sie das nicht, werden sie gestürzt und stellen fortan nur noch eine Minderheit dar, von der man das demokratische Afghanistan befreien muss.

Eine komische Geschichte. Bis heute hat die Supermacht es selber nicht geschafft, Osama bin Laden festzusetzen, trotz High-Tech und besten Kontakten zum pakistanischen Geheimdienst, der sicher besser ausgerüstet ist als die Taliban es je waren. Man wirft mal eben so Bomben auf Tanklastzüge und nimmt problemlos viele Tote in Kauf, hatte den Chef des Terrornetzwerkes aber bereits mal direkt vor der Flinte und musste in diesem Fall umständlich in Washington nachfragen ob man ihn töten dürfe. Bis die Antwort kam, war Bin Laden dann wieder weg. Der schlimmste Punkt ist aber wohl, dass die Taliban mit hoher Wahrscheinlichkeit die Wahrheit gesagt haben und tatsächlich Osama bin Laden nur zu gerne losgeworden wären. Es ist doch komisch, dass hier deswegen ein mehrjähriger Krieg ausgerufen wurde, während in einem gleichgelagerten Fall, als Osama bin Laden anschließend in Pakistan vermutet wurde, keinerlei Ultimaten ergingen.

Aus den genannten Gründen in ein Land einzumarschieren und Menschen zu töten, ist pervers. Die Sprüche, wonach Deutschlands Freiheit am Hindukusch verteidigt würde, gehören in die Kategorie Volksverblödung. Niemals hat ein Afghane irgend jemanden außerhalb Afghanistans angegriffen. Warum sollte er auch? Die Afghanen interessieren sich schlichtweg nicht für uns oder sonst jemanden. Das sind arme Bauern, die froh sind, wenn sie mit ihrem eigenen Leben klar kommen. Und mit großer Politik hat deren Widerstand gewiss nichts zu tun. Was wollen wir eigentlich von ihnen? Dass sie ihre Einstellung ändern und nach westlichen Wertvorstellungen leben? In 100 Jahren nicht! So viele Einwohner dieses Landes können wir gar nicht töten, als dass am Ende eine Demokratie dabei heraus käme.

Das ganze Unterfangen ist eine sinnlose Vergeudung von Leben. Würden in Afghanistan freie Wahlen stattfinden an denen sich auch die Taliban beteiligen könnten, hätten sie eine 75%-Mehrheit. Der Westen will der im Nordosten lebenden Minderheit zur Herrschaft über das ganze Land verhelfen, steht aber vor dem Problem, dass sich diese Minderheit ohne massive Waffenhilfe nicht an der Macht halten kann. Hier wiederholt sich Vietnam und Korea bis zum bitteren Ende, nämlich dass die Westmächte abziehen müssen und allenfalls noch einen Schutz des Nordostens organisieren. Die Entwicklung Afghanistans ist damit über Jahrzehnte hinweg blockiert, was uns aber von Anbeginn so wenig interessiert hat wie der sprichwörtliche Sack Reis, der in China umfällt. Es ging niemals um eine wie auch immer geartete Entwicklungshilfe oder Annäherung des Landes an den Westen, sondern Afghanistan war immer das Bauernopfer im Krieg um den Irak.

Das jetzt in Afghanistan keine Ruhe einkehrt und die Situation geradezu eskaliert, hat wiederum eine ganz banale Ursache: es wurden zwischenzeitig einfach zu viele Afghanen getötet. Die Afghanen mögen es nämlich nicht wenn Leute von irgendwo daher kommen und ihre Angehörigen umbringen. Begründungen dergestalt, dass die Verstorbenen "Aufständische" gewesen seien, interessieren die Leute herzlich wenig, denn der normale Afghane wird seit Jahrhunderten als "Aufständischer" geboren. Nicht die Briten und nicht die Sowjets haben dieses Volk unter ihre Knute zwingen können, warum sollte das jetzt auf einmal anders sein? Weil da eine Marionette im Nordosten, die sich Präsident nennt und keine freie Wahl überstehen würde, mit dem Westen paktiert und dabei ganz nebenbei Millionen scheffelt? Für diese Figur haben die "Aufständischen" nur Verachtung übrig, zumal er mit Schuld trägt an den Toten, die die Clans zu beklagen haben.

Es gibt in dieser Gegend eine einfache Regel: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Für einen versehentlich Getöteten bezahlt man Blutgeld oder der Clan organisiert die Blutrache. Ausländische Soldaten zu töten ist folglich eine Frage der Ehre, ein Akt der Wiederherstellung von Gerechtigkeit im Anschluß an einen ungesühnten Mord. Für die einfachen Bauern ist jeder Tod eines Angehörigen nichts anderes. Die Begründung, sie seien Taliban und deswegen zum Abschuss freigegeben, würden wir an ihrer Stelle auch nicht verstehen, denn in diesen Regionen, in denen die heftigsten Kämpfe toben, sind nun mal fast ALLE Afghanen auch Taliban, so wie südlich der Weißwurstgrenze so ziemlich alle Deutschen Bayern sind. Jeder Tote zwingt die Clans einen weiteren Kämpfer gegen die Besatzer zu stellen, der erst dann wieder abgezogen werden kann, wenn es ihm gelungen ist, einen ausländischen Soldaten zu töten. Verdoppelt der Westen seine Abschussrate, verdoppelt sich auch der Widerstand bis hin zu dem Punkt, an dem der Westen sich entscheiden muss entweder das gesamte Volk auszurotten oder sich aus dem Staub zu machen. Deswegen kann dieser Krieg nicht gewonnen werden, nicht heute und nicht in 10 Jahren.

Wir befinden uns in einem kollektiven Wahn der mit der Wahl unserer Begrifflichkeiten beginnt. Die dort berechtigt lebenden Bewohner nennen wir "Aufständische", wenn sie sich nicht der Waffengewalt fremder Soldaten unterwerfen. Als die Sowjets gleiches versuchten, nannten wir sie Mudschahidin, was so viel heißt wie "heilige Kämpfer". Auf einen meiner Kommentare an anderer Stelle hat dann jemand geschrieben: die Kultur dieser Leute interessiert mich nicht. Und genau das ist der Kern des Problems. Afghanistan und die Afghanen intressieren uns einen Dreck. Wohl aber sei der Sieg über diese Leute ohne Alternative.

Nun denn, wer's glaubt.

Exit:
Dieser Krieg ist nicht zu gewinnen. Noch niemals wurden vergleichbare Kriege in vergleichbaren Situationen gewonnen. Früher oder später muss die Niederlage eingestanden werden, muss beendet werden, was von Anbeginn an falsch war. Fehler kann man immer machen, sowohl beim Angriff, wie auch beim Weglaufen. Sobald sich das Hirn der Verantwortlichen zurück meldet, wird man (vielleicht) nach einem Exit aus dem Schlamassel suchen.

Völlig verantwortungslos - wie auch der Krieg selber schon - wäre ein kopfloser Ausstieg. Die Rein-Raus-Strategie ohne Sinn und Verstand, hinterlässt das reine Chaos und wird all jene den Kopf kosten, die als Sympathisanten mit dem Westen dann den ihren hin halten müssen. Nein, einfach abhauen wäre feige und geradezu skrupellos, angesichts all der schönen Reden von den heheren Zielen, denen vielleicht einige Afghanen gar geglaubt haben.

Wenn man einen Fehler macht, dann führt der Weg zurück ins geordnete Leben nur über die Einsicht, Entschuldigung und Wiedergutmachung. Wir müssen unsere feindlichen Handlungen gegenüber den Taliban einstellen, uns für die begangenen Fehler entschuldigen und das an Wiedergutmachung akzeptieren, was die Geschädigten von uns verlangen. Harte Worte, aber wenn wir das nicht schaffen, gibt es auch keinen Ausweg der im Fieden mündet.

Die übliche Strategie, man teilt das Land in "gut" und "böse" und isoliert die "Bösen" über Jahrzehnte, ist weiter nichts als eine Fortsetzung der Arroganz mit anderen Mitteln. Was auch immer die Afghanen sich als ihre Lebens- und Regierungsform ausdenken, wir haben es zu respektieren solange es sich innerhalb der Grenzen Afghanistans abspielt. Ohne diesen Respekt der anderen Lebensweise, gibt es keine Verständigung.

Nehmen wir mal an, es gäbe diese Politiker, die sich gegenüber dem Druck, den Lügen und Intriegen der Amerikaner unempfindlich zeigen, dann wäre die Anerkennung der Taliban als Verhandlungspartner ein gewaltiger Schritt. Natürlich werden die dann ihren Sieg feiern und müssen wir das aushalten. Aber das ist nun mal so wenn man Fehler macht. Eine Reue, die nicht schmerzt, ist keine Reue. Beides, Siegestaumel hier wie Reue dort, gehören zum Pozess des emotionalen Ausgleiches und der Versöhnung. Echte Reue ist verglichen mit erfahrener Rache eine billige Währung. Und es gibt keine Menschen, die eine ernsthaft vorgetragene Entschuldigung nicht annehmen würden.

Wenn wir das Land verändern wollen, dann bitte nach der alten Weisheit "Wandel durch Handel". In der wirtschaftlichen Kooperation liegt die größte Chance. Man lernt die Arbeit des jeweils anderen schätzen, baut nützliche Kontakte auf und erlebt einen beiderseitigen Vorteil. Auch Afghanen werden gerne satt und wissen die Annehmlichkeiten eines modernen Lebens zu schätzen. Wer sich das nicht vorstellen kann sollte mal zur Kenntnis nehmen, wie viele Afghanen in Deutschland leben und sich mit ihren Bedürfnissen und Träumen nicht im Geringsten von uns unterscheiden. Gewiss ist in dieser Kultur vieles anders, aber auch wir haben uns über die Generationen hinweg entwickelt. Was ist von der Zucht und Ordnung geblieben, die unsere Großeltern noch am eigenen Hintern erfahren haben? In Afghanistan ist das heute noch Realität, da werden die Kinder noch für alles und jedes windelweich geprügelt. Nein, schön ist das nicht, aber wir waren auch nicht anders. Auch wir haben Frauen geringere Rechte zugestanden. Auch wir waren religiös und politisch fanatisiert. Was an menschlicher Schwäche existiert, sollte und weniger fremd sein als wir vorgeben. Tolleranz heißt nicht, dass man alles akzeptiert, aber es besser vorzuleben und ein gutes Beispiel zu geben ist immer besser als auf Lügen und Dummheit basierend zu töten und gleichzeitig den Moralischen rauszuhängen. Damit präsentieren wir uns gerade nicht als hochstehende Kultur, der irgendjemand nacheifert.

Wahrheit, Aufrichtigkeit, Geradlienigkeit, Zuverlässigkeit, das sind die deutschen Tugenden für die man uns schätzt. Selbst wenn hinter der Fassade einiges davon nicht stimmt, sollten wir doch immer wieder den Weg zurück finden zu dem, weswegen uns die Völker achten. Die Amerikaner haben es sich bei den Afghanen verschissen und sind gerade dabei, noch eins oben drauf zu setzen. Hoffentlich haben wir in der deutschen Politik nicht nur Weicheier und fährt die berliner Regierung eine klare Linie gegen die dumm-dreisten Forderungen unserer amerikanischen Freunde. Bitte keine Steigerung des Wahnsinns, bitte keine Aktionen mit Toten. Es gibt nichts, was irgendeinen Angriff auf irgendjemanden rechtfertigt. Lasst die Afghanen in Ruhe, packt ein oder helft ihnen ihre Lebenssituation zu verbessern. Dann wird am Ende doch noch alles gut.

Ergänzung vom 12.12.2009: Peinlichkeiten am Rande
- eine Regierung, die der Bevölkerung über Jahre hinweg was von einem Hilfseinsätz erzählt, das Wort Krieg vermeidet und gleichzeitig die gezielte Tötung des Feindes anordnet,
- ein Verteidigungsminister Jung der für seine Partei die Wahlen rettet, indem er die Bevölkerung über die Umstände der getöteten 142 Personen in Kundus belügt,
- eine ungeheure Masse an gehässigen Kommentaren seitens der Webuser, die nicht das geringste Problem erkennen können wenn die Bundeswehr mit Tötungsauftrag Afghanen jagd.
Wir Deutschen haben nicht nur aus den verherenden Wirtschaftskrisen nichts gelernt und missachten die Ordnungsprinzipien einer Sozialen Marktwirtschaft. Wir haben auch aus der ganzen Nazi-Zeit nichts gelernt und leisten uns eine Verrohung der Sitten, als könne man beim Töten von dem was einem nicht passt niemals etwas falsch machen.

Vor 20 Jahren erklärte mir ein Berufssoldat, dass das, was gerade passert, in Deutschland niemals passieren könne, wegen der Verfassung, den Gesetzen und so weiter und so fort. Auch vor 10 Jahren war das, was gerade passiert, noch vollkommen unvorstellbar. Heute nennt man das "Vorwärtsverteidigung" und die Leute haben andere Sorgen als sich darüber aufzuregen, mit welcher Leichtigkeit unsere Regierenden alle über Jahrzehnte hinweg beschworenen Prinzipien über Bord werfen. Hat irgendjemand aus unserer Geschichte irgendwas gelernt?