T H E M A

Soziale Marktwirtschaft: Selbststeuerung

Selbststeuerung des Marktes

Jeder Mensch, ja jedes Lebewesen, strebt von sich aus danach, die Dinge zu tun die ihm nutzen und die Dinge zu meiden, die ihm Schaden.

Der Wille, gut zu leben - oft unpräzise gleichgestellt mit dem Eigennutz - ist die stärkste Triebkraft jedes Handelns und somit auch jeden wirtschaftlichen Handelns.

Vollkommen gleichgültig in welchem politischen System Menschen leben, streben sie immer aus den gleichen Gründen ihre Ziele an, selbst wenn die politischen Systeme vollkommen unterschiedliche Erfolgsstrategien nahe legen und in ihrem produktiven Ergebnis denkbar verschiedene Resultate hervorbringen. Versetzt man einen Menschen von dem einen in das andere System, wird er gleichermaßen geschickt oder ungeschickt die ihn umgebenden Regeln und Bedingungen erkennen und sich dazu seinen Möglichkeiten entsprechend optimierend verhalten.

Wer etwas auf bestimmte Weise tut, handelt so, weil ihm die Fähigkeit fehlt sein Ziel auf andere Weise zu erreichen und/oder weil ihm diese Herangehensweise strategisch besonders klug erscheint. Das unterste Fundament jeden Verhaltens, nach dem jeder versucht mit geringst möglichem Aufwand seine Ziele zu erreichen oder mit gegebenem Aufwand einen maximalen Ertrag zu erzielen, nennt man Mini-Max-Prinzip..

Die unendliche Vielfalt menschlicher Biografien ergibt sich aus der unendlichen Vielfalt möglicher Ziele des Einzelnen, den persönlichen Wertigkeiten und Möglichkeiten. Hinzu kommt schicksalbestimmendes (Un-)Glück bei den Rahmenbedingungen, die dem Einzelnen vorgegeben sind..

Nur weil alles aus dem gleichen Grundmotiv erwächst, sind die Lebensverläufe keineswegs ebenfalls gleich. Aber nur deswegen, weil die Lebensverläufe ein hohes Maß an Individualität aufweisen, wäre es umgekehrt falsch, das immer gleiche Grundmotiv zu übersehen. Denn aus diesem Grundmotiv entsteht alles, was unser Leben ausmacht: das einzelne Leben, das Leben in menschlicher Gemeinschaft, die Regeln die Gemeinschaften sich geben etc. bis hin zu dem, was wir Gesellschaft, Wirtschaft und Wirtschaftsordnung nennen.

Wenn Menschen so denkbar verschiedene Ordnungen und Kulturen hervorgebringen, dann deswegen, weil die historischen Ereignisse überall verschieden waren und unterschiedliche Strategien bei der Lebensbewältigung verfolgt wurden.

Der Markt ist kein unbekanntes Wesen, dass es zu erforschen gilt. Der "Markt" hat kein Eigenleben, keine eigene Persönlichkeit, sondern er ist immer das, was Menschen sich geschaffen haben: Ort des Austausches werthaltiger Dienste nach Regeln.

Ob ein Markt gut oder schlecht funktioniert, Arbeitslosigkeit oder Vollbeschäftigung hervor bringt, Tauschgerechtigkeit oder Ungerechtigkeit, Wohlstand oder Armut, hängt ab von den Regeln, die in einer wirtschaftenden Gesellschaft Gültigkeit haben. Oppenheimer spricht von der Gesellschaftswirtschaft einer Wirtschaftsgesellschaft und meint damit die Summe der Regeln, nach denen eine Gesellschaft wirtschaftet.

Normalerweise können wir uns diese Regeln nicht aussuchen. Meistens sind sie Teil einer Tradition, also Ergebnis unserer Geschichte die zur Gewohnheit geworden ist. Nur in den kommunistischen Staaten und nach Revolutionen wurde gelegentlich mit der Tradition radikal gebrochen und beschleunigten Neuerfindungen die natürliche Anpassung tradierter Regeln. Und nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland gab es eine vergleichbar besondere Situation, wenngleich von begrenzter Haltbarkeit.

Theoretisch können wir die Regeln eines Marktes verstandesmäßig festlegen, praktisch geschieht dies höchst selten. Der Umstand, dass Parlamentarier ganze Bibliotheken mit Gesetzestexten füllen, steht dazu in keinem Widerspruch. Jedes Wirtschaftssystem beruht auf einigen wenigen Basissätzen die über sehr lange Zeit hinweg Gültigkeit besitzen, sowie einer mehr oder weniger großen Anzahl an Hilfssätzen, mit denen das Nichtfunktionieren der Basissätze korrigiert wird. Je mehr Hilfssätze ein Gesetzgeber benötigt für die Durchsetzung politischer Ziele gegenüber den Basissätzen, desto schlecher sind die Basissätze.

Die Basissätze bestimmen, was in einem System von alleine passiert. Sie legen die Selbststeuerungsmechanismen fest. Die Hilfssätze hingegen dienen der Korrektur der Basissätze. Je schlechter die Basissätze gewählt sind, desto größer ist der anschließend notwendige bürokratische Aufwand ihrer Korrektur.

Jede Gesellschaft muss mittles erdachter Gesetze korrigieren, was von alleine in einem Wirtschaftssystem nicht wie gewünscht funktioniert. Man muss folglich von den Zielen her, von dem ethischen Wollen einer Gesellschaft her, die Frage aufwerfen, welche Regeln welchen Zielen dienen. Gleich einem Computerprogramm, kann an Ergebnissen nur heraus kommen was zuvor programmiert wurde. Momentan sind unsere Programme weitgehend ohne bewußtes Zutun entstandene Resultate historischer Ereignisse. Aber das bedeutet nicht, dass der Mensch auf Ewig ohne Verstand dem zufälligen Treiben der Geschichte ausgeliefert wäre. Täglich werden technische Systeme entworfen die komplexe Einflussgrößen so ausregeln, dass erwünschte Zielgrößen erreicht werden. Wenn man weiss, dass Menschen wie Elektronen stets den Weg des geringsten Widerstandes wählen und dabei ein Optimum an Glück anstreben, dann ist es relativ einfach Regelungen so zu formulieren, dass sich Menschen auf ihrem Weg zum Glück für eine Gesellschaft maximal nützlich verhalten und dabei gleichzeitig maximal zufrieden sind. Sind Regeln hingegen so angelegt, dass nur der Ängstliche ihnen zum eigenen Schaden folgt während der (Ver-)Brecher der Regeln maximale Belohnung und Erfolg erfährt, dann können alle Engel des Himmels nicht jene Resultate verhindern, die an psychologisch und soziologisch schlecht gemachtem der Systemkonstruktion inne wohnen.

Historisch sind fast alle Staaten der Welt dadurch entstanden, dass ein Volk ein anderes Volk kriegerisch unterworfen hat mit dem Ziel, das unterworfene Volk zu bewirtschaften. Ob Sachsen, Franken oder Römer, sie alle haben uns ihre Basisregeln zum Zwecke der Bewirtschaftung einer unterworfenen Klasse durch eine herrschende Klasse gebracht. Ihre Regeln waren fast überall in Europa die ersten Regeln überhaupt, nach denen Staaten und Gesellschaftswirtschaften geordnet waren. Und wenn die Mongolen oder sonst wer irgendwo anders auf der Welt ihre Herrschaft erichteten, kamen sie stets zu ähnlichen Regeln, denn auch ihr Ziel war die Beherrschung und Bewirtschaftungen der unterworfenen Völker.

Aus diesen Anfängen der Entstehung staatlicher Ordnungen, sind die uns heute bekannten Ordnungen entstanden. Die ersten schriftlich, in Gesetzesform festgelegten Basissysteme der Weltgeschichte, bauen auf einer Klassengesellschaft und verfolgen Ziele der Beherrschung und Bewirtschaftung. Was es vor den schriftlich festgelegten Regeln gab, vor der Eroberung durch ein fremdes Volk, das wissen wir einerseits durch Annahmen der Vernunft, wonach ein nicht auf Beherrschung gerichtetes Wirtschaften schlicht anderen Regeln folgt, sowie durch die Beobachtung von Naturvölkern, die der Eroberung entgangen sind.

Historisch mögen die entstandenen Klassengesellschaften sogar einen Nutzen entfaltet haben, denn die Menschheit wurde dadurch aus ihrer naturverbundenen Selbstgenügsamheit herausgerissen und zu Leistungen getrieben, die es ohne die Peitsche der Herrschenden und das Leid der Unterworfenen vielleicht nie gegeben hätte. Ich betone den Aspekt der Vermutung. Für uns heute wichtig ist von alledem lediglich, dass die aus den Klassengesellschaften hervorgegangenen Wirtschaftssysteme natürlich mit ökonomischen Mitteln die Vorgaben der herrschenden Klasse verwirklicht haben. Eine solche Wirtschaftsordnung kann nur eine kapitalistische sein, nicht weil sie einen "freien Markt" hat, sondern genau im Gegenteil, weil die vorherrschenden Bindungen und Setzungen stets so angelegt sind, dass ein erheblicher Teil der produzierten Werte per Setzung des Rechtes von der bewirtschafteten Klasse an die bewirtschaftende Klasse übertragen werden. Die Herrenklasse hat an all diesen Reichtümern einen rechtlich legalen Anspruch, den sie auch ausnahmslos über alle Institutionen des Gesellschaftssystems klassenbewußt verteidigt.

Selbst die Soziologen, die von Berufs wegen all das hier geschriebene wissen sollten, zieren sich doch ungemein davor, ihr eigenes systemkonformes Verhalten zu thematisieren. Die für ein bewußtes Handeln notwendige Aufklärung exisitert, aber halt nur versteckt, so dass sie in einer auf Mehrheiten gründenen Demokratie kraftlos ist.

Welchen Zielen sollen die Regeln einer Wirtschaftsgesellschaft dienen?

Wenn wir eine Soziale Marktwirtschaft wollen, fallen die Antworten anders aus als wenn andere Wirtschaftsformen erwünscht sind. Eine kapitalischtische Klassenwirtschaft hat andere Basissätze als eine "Diktatur des Proletariates". Und was Franz Oppenheimer als den "Dritten Weg" bezeichnet hat und Ludwig Erhard als "Soziale Marktwirtschaft" von den anderen beiden Modellen abgegrenzt wissen wollte, ist noch mal was vollkommen anderes.

Die Basissätze des Sozialen Liberalismus Erhards und des Liberalen Sozialismus Oppenheimers gründen auf der Zielsetzung einer entfesselten Marktwirtschaft., genauer: einer von Machtmißbrauch und Herrschaftsinteressen befreiten Marktwirtschaft.

Es ging ihnen nicht darum, die Basissätze des Kapitalismus durch Hilfssätze des Sozialstaates abzumildern. Und schon gar nicht soll das staatliche Regulativ so ausgebildet werden, dass der Markt gänzlich hinter den Wirtschaftsplänen einer Partei verschwindet. Sondern es geht um die Entfesselung, die Befreiung von den Zielen der Herrschaft und dem Verschwinden der herrschenden Klassen durch Freiheit.