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Soziale Marktwirtschaft: Verantwortlichkeiten

Verantwortlichkeiten

Unsere Professoren wären zuständig dafür, die Instrumentarien zu benennen, durch die auf einem Wollen die Tat folgen könnte. Aber sie sind an diesen Dingen so desinteressiert wie vor 70 Jahren, als John Maynard Keynes es ihnen um die Ohren haute mit den Worten: „Ein grosser Teil jüngster, ‚mathematischer’ Wirtschaftslehren ist ein blosses Gebräu, so ungenau wie die anfänglichen Voraussetzungen, auf denen sie beruhen und welche dem Autor erlauben, die Verwicklungen und gegenseitigen Abhängigkeiten der wirklichen Welt in einem Wust anmassender und nutzloser Symbole aus dem Gesicht zu verlieren.“

Volkswirtschaftslehre heute ist Volksverblödung auf einem nicht mehr zu unterbietendem Niveau. Wenn ich wirklich Wut verspüre auf eine gesellschaftlich verantwortliche Gruppe, dann sind es die Volkswirte und da insbesondere die Professoren, die sich diesem kollektiven Wahnsinn verschrieben haben.

Zur Ehrenrettung eines Einzelnen möchte ich Prof. Dr. Otto Roloff ausnehmen, der die von mir besuchte Vorlesung 1987 sinngemäß mit den Worten einleitete: „Ich weiß, dass das alles Quatsch ist was ich Ihnen in den nächsten 2 Jahren erzählen werde, aber ich muss es tun, denn das ist die herrschende wissenschaftliche Meinung, und die müssen sie nun mal zur Kenntnis nehmen, sonst gehören sie später nicht dazu, finden keine Anstellung und haben keine Aussicht auf eine wissenschaftliche Laufbahn.“ Der gute Mann wurde für seine Ehrlichkeit von seinen Kollegen böse abgestraft. Gott segne ihn!

Sie kennen die Geschichte von des Kaisers Kleidern? Da steht ein nackter Kaiser im Raume und alle bejubeln die Schönheit der Kleider, weil der Schneider den Leuten gesagt hat, dass es sich um besondere Kleider handele, die nur kluge Leute sehen könnten. So besteht die ganze Kunst dieses Berufsstandes darin, sich gegenseitig wegen Belanglosigkeiten zu bejubeln, den Zerfall unserer gesellschaftlichen Zusammenhänge fein säuberlich zu dokumentieren und gelegentlich eine Prognose zu wagen, wie lange es noch dauere, bis wir endlich alle tot sind. Was sollten sie auch anderes hervor bringen als gediegenen Defätismus, betrifft sie das Arme-Leute-Problem doch allenfalls, wenn sie sich vor die Türe wagen, während das System selber sie ganz anständig ernährt? Und was sollten sie auch machen oder sagen, wenn auf der eigenen Erkenntnisgrundlage, die keine Erkenntnis enthält, geraten werden sollte? So gibt es nur einen Typ Menschen, der noch schlimmer ist als die hier Gescholtenen, nämlich diejenigen, die auf Treibsand stehend nicht einmal zu Schweigen verstehen, sondern auch noch anderen Rat erteilen. Es wird ein Ruck gehen durch unser Land, wenn jeder Mensch, der sich dafür interessiert und lesen kann, über mehr ökonomischen Sachverstand verfügt als unsere hochdotierten Blender.

Wenn Sie als Leser bislang meinten, Volkswirtschaft sei etwas Kompliziertes und nur für Akademiker, lassen Sie sich hier vom Gegenteil überzeugen. Wie beim Backen eines Kuchens, wird es erst dann kompliziert, wenn Sie am Anfang Zucker mit Salz verwechseln. Denn, was man dann noch alles in den Teig rühren muss, damit es am Ende wieder schmeckt und der Teig gelingt, das ist dann wahrlich kompliziert, wenn nicht gar als Problem unlösbar.

Unsere Volkswirte machen diesen Fehler. Ihrem Denken liegt eine kapitalistische Klassengesellschaft zu Grunde. In den ersten Sätzen ihrer Bücher legen sie fest, was anschließend nicht mehr hinterfragt wird: die „Produktionsfaktoren“, bestehend aus Kapital, Arbeit und Boden. Diese „Produktionsfaktoren“ sind weiter nichts als eine Überführung gesellschaftlicher Klassen in die ökonomische Theorie, nämlich der Kapitalistenklasse, der Arbeiterklasse und der Klasse der Land- oder Großgrundbesitzer (als ebenfalls ehemals herrschende Klasse vor dem industriellen Kapitalismus, dem agrarischen Kapitalismus). Dieses Trivialmodell einer Klassengesellschaft wird dann „modern“ um neue, gesellschaftlich relevante Gruppen erweitert, wie etwa dem „Geistkapital“. Der Grundfehler ist aber, dass man sich überhaupt das Austauschverhältnis zwischen diesen Klassen zum Thema macht und auf dieser Basis versucht, eine „objektive“ Theorie volkswirtschaftlicher Zusammenhänge aufzustellen. Wer im Klassendenken gefangen ist, kommt auch nicht dadurch wieder raus, dass er die Ursprünge seines Modells vergisst. Und wer derart gleich zu Beginn sich auf eine Klassengesellschaft festlegt, der kann durch nichts den Weg zurück finden zu dem, was Erhard eine „Soziale Marktwirtschaft“ nannte.

Es gibt keinen Weg von einem versalzenen Teig zu einem gelungenen Kuchen. Man muss ihn wegschmeißen und irgendwann begreifen, dass ein guter Kuchen nur auf der Basis einer anderen Rezeptur gelingt. Damit will ich sagen, zwischen der an unseren Hochschulen betriebenen Lehre und dem, was Ludwig Erhard uns einst für eine glückliche Fase deutscher Wirtschaftsgeschichte geschenkt hat, gibt es keinen Weg der Vermittlung. Niemals haben diese Wissenschaftler verstanden, was Erhard wollte, niemals haben sie ein theoretisches System hinter Erhards Handeln erkannt. Niemals haben sie Erhard „Wissenschaftlichkeit“ zuerkannt.

Ich sammelte einige Jahre mit Vergnügen die Briefe der volkswirtschaftlichen Fakultäten und „Wirtschaftsweisen“, die mir die „vollkommene Irrelevanz“ Ludwig Erhards für die heutige „wissenschaftliche“ Theorie um die Ohren hauten, wenn ich mal zaghaft anfragte, ob es denn nicht von Interesse sein könnte, das wissenschaftliche System hinter Erhards Handeln darzulegen. Geschenkt. Akademisch ausgedrückt, geht es um einen Paradigmenwechsel, also um einen sehr grundlegenden Wechsel der Sichtweise, bei dem die einen mit den anderen nicht können. Man kann nicht erst ein Pfund Salz in den Teig hauen und dann besinnlich darüber schwadronieren, weswegen der Kuchen nicht schmeckt. Würde man mich fragen, wäre meine Antwort hinsichtlich der gegenseitigen Toleranz der Denkansätze auch nur: schmeißt eure Bücher weg.

Diesen Gedanken soll nicht mehr Raum geben werden als notwendig ist um Ihnen zu verdeutlichen, um was es hier eigentlich geht. Nämlich, eine irre geleitete Wissenschaft, die uns nichts erklären und nichts raten kann, endlich ihrer Irrelevanz entsprechend zu vergessen. Schickt sie in die Wüste eure „Chefvolkswirte“ und „Berater“. Sie leiten euch zielsicher wie Sirenen gegen die Klippen, an denen das Schiffchen „Gesellschaft“ zerbricht. Es ist an der Zeit zu erkennen, dass es auch anders geht, zu erkennen, dass wir Menschen uns mit unserer Dummheit am meisten im Wege stehen - und nicht etwa die „unausweichlichen ökonomischen Verhältnisse“. Wir sind z.B. nicht Sklaven und Opfer einer über uns kommenden Globalisierung, sondern alleine zu dämlich, das in Ordnung zu bringen, was hier bei uns in Deutschland an Weichen falsch gestellt wurde. Es müsste uns die „Globalisierung“ nicht im Ansatz kratzen, wenn wir das fortgeführt hätten, was Erhard einst begonnen hat. Dies zu verstehen, ist das eigentlich spannende Thema, aus dem sich alles weitere wie selbstverständlich ergibt.